August 25, 2019

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Ich veränderte mich selbst, um die Welt zu verändern

Es ist der 24. Oktober 2016 und ich sitze in einem Flugzeug, das von Mexico City nach New York fliegt. Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, wo ich bin. Habe ich Angst? Bin ich aufgeregt? Bin ich überhaupt bereit? Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, aber ich hoffe, dass alles gut wird. Ich werde bei einer amerikanischen Familie mit zwei Söhnen im Alter von 8 und 11 Jahren in der Nähe von Boston wohnen.

Fast zwei Jahre später: September 2018. Ich verlasse das Programm in drei Tagen, meine Taschen sind gepackt und ich schlafe unten auf einer Luftmatratze, weil jemand anderes in meinem Zimmer wohnt. Oder ist es ihr Zimmer? Ich kann nicht einmal mein ganzes Zeug ansehen, ohne zu weinen. Ich habe wieder Angst. Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut, ein Zuhause, eine Familie, ein neues Ich.... und jetzt muss ich das alles hinter mir lassen, um ein neues Leben zu beginnen. Ich bin nicht die gleiche Person, die vor zwei Jahren hierher kam und gerade weil ich mich verändert habe, kann ich nicht erwarten, dass alles wieder so wird wie es 2016 war.

In meiner Heimat Mexiko lebte ich in einer kleinen Stadt wo sich alle kannten. 18 Jahre lang, war ich Schwester, Tochter oder Enkelin und jeder kannte mich. Ich hatte nie wirklich die Gelegenheit, mich als mich selbst vorzustellen. Es gab immer jemanden, der jemanden aus meiner Familie kannte und mich daher mit demjenigen verglich.

Aber nicht hier. Als ich in die USA flog und in der „Training School“ ankam, atmete ich tief durch und sagte: "Hi, ich bin Melanie." Und so einfach änderte sich meine Geschichte. Von diesem Moment an war ich, wer ich sein wollte, und ich wurde nur für das bekannt, was ich tat oder sagte. Ich veränderte mich selbst, um die Welt zu verändern Als ich vor zwei Jahren mit dem Auspacken begann, warf ich gleich meine Unsicherheiten in den Mülleimer. In nur 23 Monaten wurde mein Zimmer Zeuge, wie ich mich in unzählbarer Hinsicht entwickelte. Ich verwandelte mich von einer Raupe - einem Mädchen, das so unsicher war, dass sie ihr Haar nicht offen trug, in einen Schmetterling. Einer Frau, die sich nicht einmal im Spiegel ansah, bevor sie raus ging, weil sie so selbstbewusst und selbstsicher war. Und weil sie nicht mehr das Bedürfnis verspürte, jemanden beeindrucken zu müssen.

Ich begann Sport zu treiben und regelmäßig zu trainieren. Ich verlor Gewicht, färbte meine Haare tausend Mal, änderte meinen Stil, ging zurück zu Kapuzenpullovern, begann morgens, wenn ich die Kinder zur Schule brachte, Pyjamas zu tragen und benutzte etwas weniger Make-up. Ich wurde so selbstbewusst, dass ich es einfach irgendwie zeigen wollte. Sogar meine Follower auf Instagram haben sich verändert. Mein Account wuchs von 40 Followern, wobei 10 davon sicher Spam waren, auf fast 2.000. Zweitausend Menschen aus aller Welt hatten irgendwie Interesse und fanden Motivation in meinen Beiträgen. Dies geschah aufgrund der Takeovers, die ich für Cultural Care machte: Facebook live, Snapchat und Instagram (der letzte war derjenige, der die meisten Follower brachte).

Wenn ich zurückschaue: November 2016: Ich bin seit einem Monat in den USA. Ich habe Heimweh und die neue Situation verwirrt mich. Auf Kinder aufzupassen ist schwieriger, als ich dachte. Wie kann ein Kind nur so lange aufgrund eines kaputten Spielzeugs schreien? "Hab‘ dich nicht so", würde ich am liebsten sagen. Stattdessen atme ich tief durch und sage: "Es wird alles gut. Das wird es immer. Auch wenn es schwer ist, muss man sich auf die guten Dinge konzentrieren und einfach weiter machen." Das waren die Worte, die ich zu meinem Gastkind sagte, als sein Spielzeug kaputt ging. Aber in Wahrheit sprach ich eigentlich zu mir selbst. Ich erkannte wie viel Macht meine Worte hatten und wie ich die Art und Weise, wie die Dinge waren, durch das Ändern der Perspektive verändern kann. Ich beschloss, weiterzumachen und meinem eigenen Rat zu folgen: Konzentriere dich auf die guten Dinge und schau nach vorne.

Nach vielen, vielen Herausforderungen bin ich heute im September 2018 stärker denn je. Ich bin extrem motiviert und gespannt auf das was kommen wird. Ich bin so oft aus meiner Komfortzone herausgetreten, dass ich nicht einmal mehr weiß, wie meine alte Komfortzone aussah. Ich bin so glücklich und dankbar für alles, was in den letzten zwei Jahren passiert ist:

  • Ich bin Au Pair des Jahres geworden! Das ist eine Auszeichnung, die Cultural Care jedes Jahr vergibt. Familien können ihre Au Pairs nominieren, indem sie einen Aufsatz darüber schreiben, warum sie die Ehre verdienen - Cultural Care wählt dann 10 Finalisten und später den Gewinner aus.

  • Ich wurde auch Ambassador. Ich gehöre nun zu einer Gruppe von Au Pairs, die anderen Au Pairs auf dem Weg in die USA - oder während sie sich bereits im Land befinden - helfen. Ambassadors organisieren Treffen und arbeiten zusammen, um jedes neue Au Pair in ihrer Gruppe herzlich willkommen zu heißen.

  • Ich habe eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um den Opfern des Erdbebens in Mexiko im vergangenen Jahr zu helfen. Ich schenkte jedem Menschen, der an eine gemeinnützige Organisation spendete, die sich für die Hilfsmaßnahmen des Landes einsetzt, einen von mir selbst gezeichneten Cartoon.

  • Ich war zwei Mal mit meiner Gastfamilie im Disneyland! Das war meine Chance meinen größten Traum zu verwirklichen - ich bin ein großer Disney-Fan!

Ich veränderte mich selbst, um die Welt zu verändern Als Andenken an meine Amerika Erfahrung habe ich: Eine Narbe an meinem Bauchnabel von einer Operation, viele Cultural Care Fan Artikel  (einen Rucksack, einen Hoodie, eine Cappie, mehrere T-Shirts und zwei Anstecker, auf denen „Ambassador des Kulturaustausches“ steht), Mickey-Ohren von der besten Reise meines Lebens, ein Herz voller Liebe, nachdem ich hier die Liebe meines Lebens gefunden habe, eine schöne Plakette auf der "Au Pair des Jahres" steht, und vor allem die Liebe zweier kleiner Jungen, die mein Leben verändert haben. Meine wunderbaren Gastkinder.

Wenn mir das jemand im Jahr 2016 gesagt hätte, dass ich all diese Dinge erleben würde, hätte ich das niemals geglaubt! Denn wie kann ein unsicheres Mädchen mit wenig Selbstvertrauen wie ich das alles in nur zwei Jahren erreichen?

Ich habe immer noch keine Antwort auf diese Frage. Ich weiß nur, dass ich bei allem, was ich in diesen 23 Monaten gemacht habe, mit dem ganzen Herzen dabei war. Ich liebte mich selbst und alle um mich herum so sehr ich konnte. Ich stellte mich meinen Ängsten, erkundete die Welt um mich herum, schloss Freundschaften mit Leuten aus der ganzen Welt, spielte zum ersten Mal Baseball, sprach Englisch ohne Angst vor Fehlern (auch wenn ich sie machte), sagte "Hallo" zu diesem süßen Jungen in der Cafeteria, ging aufs Laufband, sang Karaoke und sagte vor allem so viel wie möglich ja. Ja zum Leben, ja zur Liebe, ja zu mir selbst. Ich habe das alles getan, um meinen Kindern beizubringen, dass alles möglich ist, wenn man wirklich hart arbeitet, und ich habe versucht, ihnen an meinem Beispiel zu zeigen, dass selbst ein Unbekannter, wie ich, einen Einfluss auf die Welt haben kann. Ich habe über 5.000 Dollar gesammelt, um bei den Hilfsmaßnahmen meines Landes nach einem Erdbeben zu helfen - mit viel Durchhaltevermögen und Hartnäckigkeit.

Nun wird meine Geschichte von vielen jungen Menschen gehört, die hierherkommen und nach Abenteuern suchen. Ich versuche, so viele Menschen wie möglich zu inspirieren, indem ich ihnen sage, dass sie weiterhin hart arbeiten sollen und dass am Ende alles gut sein wird. Die Arbeit als Au Pair war definitiv nicht immer einfach, und es gab zwischendurch auch Stolpersteine, aber ich blieb immer motiviert. Jeden Tag erinnerte sich das unsichere Mädchen daran, dass sie es wert ist und dass sie es verdient, glücklich zu sein.

Amerika ist das Land der Möglichkeiten, also habe ich meine Gelegenheit genutzt, mich in die Person zu verwandeln, die ich immer sein wollte. Ich habe mich selbst verändert, um dann helfen zu können, die Welt zu verändern.